EDITORIAL - Rechtsverordnung Hybrid-DRGs und Krisengipfel im BMG – Vorzeichen für die gesundheitspolitische Entwicklung 2024?
Montag, 15. Januar 2024
Info 01-24

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
quasi mit den ersten, ja immer etwas verfrüht gezündeten Silvesterraketen schickte auch das BMG seine Rechtsverordnung zu einer speziellen sektorengleichen Vergütung (Hybrid-DRG V) in den Orbit. Ohne  die Umsetzung geklärt zu haben, wurden Tatsachen geschaffen und der Ball zumindest vorübergehend wieder in das Feld der ärztlichen Selbstverwaltung zurückgespielt.
„Ihr habt Euch nicht geeinigt, also führt das BMG die Einigung herbei. Umsetzen müsst ihr es, wenn auch nicht klar ist wie. Wenn ihr auch das nicht schafft, müssen wir Euch eben auch das wieder vorgeben. Eine Stimmung also, die an fehlender Wertschätzung und Misstrauen kaum zu überbieten ist.“
Wenn wundert es, dass in dieser vergifteten Atmosphäre die Ärzteschaft ihrerseits verzweifelt auf ihre Situation aufmerksam machte und „zwischen den Jahren“ viele Haus- und Facharztpraxen geschlossen blieben. Auch wenn Ärztinnen und Ärzte, anders als Lokführer und Landwirte, nicht streiken, sondern die Praxen aus individueller Begründung geschlossen hielten, war das mediale Echo deutlich stärker als im Herbst 2023. Erstmals wurde der Bevölkerung vor Augen geführt, dass auch Gesundheitsversorgung systemrelevant ist.

Die Hoffnungen aller waren deshalb auf den von Seiten des BMG medienwirksam angekündigten Krisengipfel des Ministers mit Vertretern der BÄK, der Haus- und Kinderärzte und Fachärzte (vertreten durch den SpiFA) gerichtet. Wer auf ein vertrauensvolles und erlösendes Signal des Ministers gewartet hatte, wurde bitter enttäuscht. Zum Pressetermin war der am Gipfelgespräch teilnehmende Vorsitzende des SpiFA nicht einmal geladen – vermutlich aus gutem Grund. Hatte der Minister doch einmal mehr gezeigt, an welcher untergeordneten Position die Fachärztinnen und Fachärzte angesiedelt sind. Den Hausärzten wurde die längst überfällige Entbudgetierung zugesagt, das gegebene Versprechen eingelöst. Dass aber nur in einer generellen Entbudgetierung der gesundheitspolitische Befreiungsschlag gelingt, erkennen die Hausärzte wie die Presse, die unisono von einer unnötigen Brüskierung der Fachärzteschaft spricht. All das ignoriert der Minister offenbar bewusst, obwohl die Fachärzteschaft gerade jetzt für eines seiner Lieblingsprojekte in 2024 – die vermehrte Ambulantisierung – dringend gebraucht wird. Ein Blick über den Kabinettstisch zu seinem Landwirtschafts-Ministerkollegen täte gut, der sich öffentlich für die Klientel einsetzt, dessen Zukunft er entscheidend mitbestimmt. Nahrung ist, wie auch Gesundheit, essentiell!

Dies gilt auch für den stationären Sektor. Der Minister hat die Frage bisher nicht beantwortet, welche Krankenhäuser er mit seiner Reform modernisieren möchte, wenn egal unter welcher Trägerschaft stehend die Kliniken für 2023 mehrstellige Millionendefizite einfahren. Mit dem Unterschied, dass Bundesländer, Landkreise und Kommunen für ihre Kliniken und Krankenhäuser die Defizite aus Steuermitteln ausgleichen, während dies frei-gemeinnützig und privat geführten Häusern verwehrt bleibt. Eine Schieflage, die in einem aktuellen juristischen Gutachten der Universität Potsdam zur staatlichen Krankenhausfinanzierung erstmals aufgearbeitet und bzgl. ihrer Rechtmäßigkeit nach Krankenhausfinanzierungsgesetz, Grundgesetz und EU-Beihilferecht hinterfragt wird. Gesundheitsversorgung ist eine Grundaufgabe des Staates im Rahmen der Daseinsfürsorge.
Selten war Gesundheitsversorgung so bedroht und unsicher wie jetzt. Schwierig war es immer. Wenn aber die heute so viel zitierten Leitplanken fehlen, dann gibt es keine Planungssicherheit. In Zeiten knapper Personalressourcen trägt dies nicht dazu bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, bzw. junge Menschen für einen Beruf in der Gesundheitsversorgung zu begeistern. Eine weitere Abwärtsspirale muss dringend verhindert werden!

Der BDR wird das gesundheitspolitische Geschehen weiterhin kritisch begleiten, seinen Einfluss in den Gremien geltend machen und die Interessen der Radiologie auch 2024 vertreten. In diesem Sinne Ihnen allen und Ihren Familien ein gesundes und glückliches sowie für uns alle erfolgreiches Neues Jahr!  
 

Prof. Dr. Hermann Helmberger
Präsident