EDITORIAL Arme reiche Radiologen – Ideologie und Wirklichkeit
Info 11-16
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Herbst stehen weitere Gespräche und Verhandlungen zum EBM und zur GOÄ an.
Die KV Bayern hat ein sogenanntes „Neubauer- Gutachten" über die Betriebswirtschaftlichkeit von Arztpraxen veröffentlicht. Daraus ergab sich, wenig überraschend, dass freiberufliche ärztliche Tätigkeit in der Praxis kein angemessenes Einkommen erzielt. Und das in Bayern wohlgemerkt! Insbesondere sei das unternehmerische Risiko im KV-System nicht genügend betrachtet bzw. vergütet worden. Dies gilt auch unter Einbeziehung der GOÄ-Honorare. Das eklatant höhere unternehmerische Risiko der Fachgruppe der Radiologen wurde dabei nicht gesondert betrachtet.
In der Oktober-Ausgabe des RADIOLOGEN hat Kollege Hamm die offiziellen Vergütungszahlen der Fachgruppen, welche von der KBV veröffentlicht wurden, in einem Übersichtsartikel mit entsprechenden Grafiken anschaulich dargestellt. Dort lässt sich erkennen, wie die hausärztlichen Honorare (ansteigend) und die fachärztlichen Honorare (absteigend) immer weiter systematisch auseinanderdriften. In der Mehrzahl der Bundesländer sind dabei die Radiologen innerhalb der Fachärzte besonders betroffen, indem die Abstiegskurve steiler ist als die der anderen Fachgruppen.
Was können wir daraus folgern?
Hier wird der externe politische Wille und der innerärztliche Wille zur vergütungstechnischen Benachteiligung der Radiologen objektiv offenbar. Über die politische Bevorzugung der hausärztlichen Versorgung hinaus, und die entsprechenden fachärztlichen Einschränkungen, wird die Radiologie als gesonderte Fachgruppe über die Maßen benachteiligt.
Es dokumentiert sich eine tief sitzende Ideologie in der Politik und bei den anderen Fachgruppen im Hinblick auf die Radiologie, welche festen Willens ist, die Realitäten zu ignorieren.
Was ist real?
Real ist, dass die ärztliche Versorgung, gutachterlich belegt, kein angemessenes Einkommen erzielt. Die KBV-eigenen Statistiken offenbaren, dass die Radiologie als stigmatisierte Fachgruppe besonders benachteiligt wird. Insbesondere das um mindestens den Faktor 10 höher einzuschätzende wirtschaftliche Risiko der Radiologen auf Grund der hohen Technikkosten wird vollkommen außer Acht gelassen.
Die letzten Gesamtkostenzahlen aus dem Formblatt 3-Statistik der KBV, in der Bundesdrucksache 17/4000 veröffentlicht, stammen vom 24.03.2011.
Dort betrug der Anteil der Vergütung für CT und MRT an der Gesamtvergütung aller Leistungen 3,2% (1,1+2,1%). Im Gegensatz dazu betrug der Anteil der Röntgendiagnostik und Ultraschalldiagnostik 3,7% (1,6% +2,1%). In den 5 Jahren seit 2011 hat sich die Vergütung der Schnittbildleistungen weiter verschlechtert, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesamtanteil dieser Leistung weiter gesunken ist. Wir sprechen hier also von 3% der Gesamtvergütung für radiologische Kernleistungen, an denen mit großer irrationaler Intensität immer wieder herumgeschraubt wird, obwohl diese Zahl noch deutlich unter der der Röntgen- und Ultraschalldiagnostik liegt. Wohlgemerkt wird mit diesen 3% die gesamte Medizin mit unbestritten notwendigen diagnostischen Basisleistungen als Voraussetzung für eine effiziente Therapie versorgt. Bei rational nicht mehr nachvollziehbarer Intensität des Herumschraubens an radiologischen Kernleistungen handelt es sich also um Veränderungen im Zehntel-Prozent-Bereich. Das Diskutieren der radiologischen Leistungsvergütung hat die Basis von Objektivität und Rationalität und auch Wirtschaftlichkeit weit hinter sich gelassen. Über die Gründe zu spekulieren möchte ich uns ersparen.
Bitte informieren Sie Ihre Mandatsträger in Ihren Regionen über die hier dargestellten Leistungsentwicklungen, welche alle von radiologiefernen Institutionen veröffentlicht wurden sowie über die objektiven Größenordnungen, um die es geht. Wir werden entsprechend in die anstehenden Vergütungsverhandlungen einsteigen. Die Talsohle ist lange unterschritten und es kommt jetzt auf das Verhältnis von Rationalität zu Ideologie an...
Ihr
Dr. D. Wujciak