EDITORIAL 60 Jahre KBV – ein Grund zum Feiern?
Donnerstag, 13. August 2015
Info 08-15

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die KBV feiert Ende September Jubiläum, mit allem Drum und Dran, ministerialem Grußwort, Festvortrag von Professor Giovanni Maio, dem wortmächtigen Befürworter einer neuen Medizinkultur der Besonnenheit, Autor des Buches „Medizin ohne Maß?“,  und anschließenden Häppchen.  Was kann gefeiert werden? Dass die KVen – und damit der bundesweite Dachverband KBV -  immer noch existieren? Das Programm lässt vermuten, dass der positiven Traditionen gedacht und die immer tiefer werdenden Gräben innerhalb der Selbstverwaltung überbrückt werden sollen. Vor einem Jahr war die Kontroverse zwischen Haus- und Fachärzten das entscheidende Feld, das es zu bearbeiten galt. Mittlerweile erscheint uns dieser Konflikt doch nur noch marginal. Die KBV deklassiert sich als Interessenvertretung selbst. Das gesamte Gesundheitssystem ist bedroht.

Mit einem neuen Projekt soll jetzt davon abgelenkt werden. Die KBV hat die „AG Fachärztlicher Versorgungsauftrag“, angesiedelt bei der Stabsstelle für den fachärztlichen Versorgungsbereich installiert.  Aufgabe ist u.a. die „Stärkung der fachärztlichen Versorgung durch normative Verankerung des fachärztlichen Versorgungauftrages“. Schritt 1 „Analyse der Versorgungssituation in der Praxis: Was benötigt der Patient ? Wann geht der Patient zum Hausarzt oder Facharzt ? Was macht ein Arzt in seiner Praxis ?“. Die AG hat bereits angefangen zu arbeiten – die Ergebnisse sollen der Weiterentwicklung der „strukturellen Versorgung“, aber auch der „Harmonisierung der bestehenden Regelungen“ oder der „perspektivischen Nutzung für andere Zwecke, bis hin zur Ausgliederung eines Teilbereichs aus der vertragsärztlichen Versorgung“ dienen. Sie sind verwirrt? Ich bin es auch!  Wie konnten 60 Jahre Honorarverhandlungen geführt, Behandlungsprogramme entwickelt werden, wenn diese Basisfragen  erst jetzt gestellt werden? Spielt die AG eine Art „Stunde Null“ nach?  Der BDR kritisiert regelmäßig, dass Radiologie – wider der offenkundigen Versorgungslage und medizinischer Erkenntnis -  in den Versorgungskonzepten nicht als Grundversorgung definiert ist, die Diagnostik nicht als grundlegende Voraussetzung für jegliche Behandlung anerkannt wird und entsprechend in den Gebührenordnungen dargestellt ist. Aber vielleicht  wird nun durch die „dankenswerte“ Arbeit der Stabsstelle diese Struktur  auch bei der KBV deutlich: Was benötigt der Patient? Grundlegende Diagnostik, da es sonst keine weiterführende Therapie geben kann!

Satzungsgemäß sollen die KVen  die Interessen aller Ärzte gegenüber den Kassen vertreten. Vielleicht ist eine Rückbesinnung auf die „KBV-Aufbaujahre“ Mitte der 50er Jahre  hilfreich, um Sachfragen endlich wieder in den Fokus zu stellen und so die Position eines überzeugenden  Verhandlungspartners für die Kassen und ernstzunehmenden  Gesprächspartners für das BMG zurück zu gewinnen? In diesem Sinne kommt das 60-jährige Jubiläum der KBV vielleicht gerade zur richtigen Zeit.

Ihr

Dr. Helmut Altland

 

 

 

 

 

 

 

Thesen von Prof. Maio aus dem Dt. Ärzteblatt, 17.8.15

„Die Indikation als Kernstück der ärztlichen Identität“