„Kongress-Sommer 2022 – Alles wie immer oder doch ganz anders?“
Mittwoch, 27. Juli 2022
Info 08-22

„Endlich wieder Kongress in Präsenz!“ Diese oder ähnliche Formulierungen waren in den letzten Wochen und Monaten wiederholt zu hören, wenn man mit Kolleginnen und Kollegen auf den Fluren einer Kongressveranstaltung ins Gespräch kam. Und wirklich hat der nationale und internationale Kongressbetrieb im Frühsommer wieder Fahrt aufgenommen. Nach fast dreijähriger Zwangspause. Voller Spannung wurden die ersten Veranstaltungen erwartet – von Organisatoren wie Besuchern. Denn zwangsläufig hat sich jede Menge verändert.
Einige der großen Veranstaltungen haben neue Termine erhalten – später im Jahr um möglichen neuen Infektionswellen mit daraus resultierenden Teilnahmebeschränkungen aus dem Weg zu gehen. So fanden der IROS in Salzburg und der ECR in Wien erstmals im Sommer statt. Eine vorsichtige Planung im Vorfeld hatte z.B. für den Deutschen Röntgenkongress eine reduzierte Teilnehmerzahl vorgesehen, um ggf. kurzfristig erlassenen Auflagen der Behörden erfüllen zu können. Auch der ECR plante mit weniger Teilnehmern, insbesondere aus Übersee, was zu einer deutlichen Reduktion der bespielten Veranstaltungsfläche im Austria Center Wien führte. Hieraus resultierte auch eine Umorganisation in der Industrieausstellung. Plötzlich fanden sich einzelne Unternehmen nicht mehr an dem seit 25 Jahren bekannten Standplatz. Was aber auch einem insgesamt geänderten Ausstellungskonzept geschuldet war.
Die wichtigste Veränderung der großen Kongressveranstaltungen ist aber eindeutig durch das Hybridkonzept begründet: sowohl RöKo als auch ECR hatten weite Teile des Fortbildungsprogramms und damit wichtige Teilnehmermagnete ins Internet verlagert und die Online-Veranstaltungen zum Großteil schon im Vorfeld durchgeführt. Denn auch das ist eine wichtige Erkenntnis aus zwei völlig anderen Kongressjahren: Fortbildungsinhalte lassen sich hervorragend online vermitteln. Und erreichen ein größeres Publikum als in Präsenz. Auch empfinden viele Teilnehmer die dosierte Weiterbildung einmal pro Woche oder über einen größeren Zeitraum als effektiver als vier vollgestopfte Kongresstage in abgedunkelten Sälen. Zudem erlaubt es die angespannte Personalsituation in vielen Einrichtungen nur wenigen zum Kongress zu reisen, gestattet es aber allen am online gehaltenen Seminar abends teilzunehmen. Gekürzte Reisebudgets einerseits und deutlich erhöhte Reise- und Übernachtungskosten andererseits tun hier ein Übriges.     
Ist also nichts mehr wie es war? Nicht ganz. Ehrungen und Auszeichnungen werden noch immer deutlich besser vor Publikum vergeben. Prominente Gastredner und hervorragende Referenten füllen weiterhin die Säle. Das Gespräch unter Kolleginnen und Kollegen wird gesucht und wohltuend normal wieder wahrgenommen. Und der Austausch mit den Industrieunternehmen findet vielfach mangels des ganz großen Termindrucks deutlich entspannter, intensiver und effektiver statt.
Noch ist der Veränderungsprozess aber nicht abgeschlossen. Das Interesse an der Online-Fortbildung wird unvermindert anhalten. Umso mehr sind die organisierenden Fachgesellschaften gefragt durch interessante Programme die Attraktivität der Präsenzteile der Kongresse hoch zu halten, sollen sie nicht verschwinden. Für die begleitenden Industrieausstellungen könnte Qualität statt Quantität der Kundenkontakte ein attraktives Konzept sein, wenn hieraus entsprechende Aufträge für die Unternehmen resultieren. Kleinere Kongresse, die nicht auf das Hybridkonzept umgestellt haben und zweifelsohne weiterhin ihre Bedeutung haben, werden sich dennoch beweisen müssen. Und auch innerhalb des BDR wird der Wunsch deutlich zumindest Teile des bisherigen Präsenzprogramms wie etwa Länderausschuss-Tagungen (auch) online abzuhalten. Die Zukunft ist digital – wenn nicht in der Radiologie, wo dann! 
 

Prof. Dr. Hermann Helmberger
München