„Europa wartet nicht auf Deutschland“
Montag, 30. April 2018
Info 05-18

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit der Ankündigung wohlklingender Vorhaben wartet die große Politik ja häufiger auf – auch wenn dann, zumindest offen sichtbar, zunächst wenig Greifbares entsteht.  Wie aber sieht es berufspolitisch aus? Wie steht unsere Radiologie im europäischen Kontext da? Sind wir für die Herausforderungen der Zukunft im interdisziplinären Konzert der digitalen Medizin gerüstet?
Der European Congress of Radiology (ECR) Anfang März in Wien hat eindrucksvoll bewiesen, dass die europäische Radiologie auf der Weltbühne präsent ist. Steigende Teilnehmerzahlen aus aller Welt – auch außerhalb Europas, wachsende Ausstellungsflächen der Industrieunternehmen und ein derart umfangreiches Programm, das die gesamte Breite unseres Faches abbildet, sprechen für sich. Deutschland gehörte, wie in den vergangenen Jahren, zu den vier Ländern mit den meisten Teilnehmern. In diesem Jahr sogar mit gewissem Abstand an erster Stelle – sicher nicht zuletzt wegen des deutschen Kongresspräsidenten. Ein internationaler Kongress für Europa ist also gefragt.
Die Organisatoren haben sich dabei auf die Fahnen geschrieben hochqualitative Fort- und Weiterbildung anzubieten und ebenso den wissenschaftlichen Präsentationen eine internationale Bühne zu bieten. Das Programm ist ein Ergebnis der Bemühungen der europäischen Institutionen ESR (European Society of Radiology) als wissenschaftliche Fachgesellschaft und UEMS (Union Européenne des Médecins Spécialistes) als europäischem Berufsverband eine Harmonisierung der Fort- und Weiterbildung in Europa zu erreichen. Dies zeigt Früchte. So wird das Europäische Facharztexamen (European Diploma of Radiology (EDiR)) von den jüngeren Kollegen zunehmend aktiv nachgefragt – auch in Deutschland. Und das, obwohl das EDiR in allen europäischen Ländern lediglich ein Add-On, jedoch keinesfalls einen Ersatz für die nationale Facharztprüfung darstellt. Das EDiR ist eine besondere Auszeichnung für junge RadiologInnen und bestätigt Ihnen ein qualitativ hochwertiges Examen der allgemeinen Radiologie in Englisch. Durchaus in Zukunft möglichweise ein Pluspunkt bei einer Bewerbung auf eine attraktive Stelle.

Anders ist die Situation bei der Fortbildung. Hier hat Deutschland ein robustes, qualitativ hochwertiges und flächendeckendes System unter der organisatorischen Leitung der Landesärztekammern aufgebaut. Und die deutsche Radiologie mit den Zusatzzertifikaten der einzelnen AGs der DRG sowie den Online-Angeboten eine Stufe qualitativen Wissensvermittlung und –überprüfung erreicht, die zusätzliche europäische Initiativen für uns derzeit nicht notwendig erscheinen lässt. Abgesehen von der strikten Qualitätskontrolle durch die lokalen KVen. Deutschland hat sich deshalb bisher nicht an einem europäischen CME-Zertifikat beteiligt (wie im Übrigen andere europäische Länder wie Italien und Frankreich auch). Dennoch dürfen wir uns als deutsche Radiologen und auch als deutsche Facharztvertreter nicht aus den Gremien und Beratungen zurückziehen. Denn die großen thematischen Vorgaben kommen aus Europa, sei es zum Strahlenschutz, zum Datenschutz, zum Einsatz mobiler Datengeräte in der Medizin oder zum strukturierten Befund. Dort werden die Grundlagen gelegt, die später in nationales Recht und letztlich durch die föderalen Strukturen unseres Landes in den Landes-KVen und Landesärztekammern umgesetzt werden.

Dies gilt es auch im interdisziplinären Austausch, sei es diagnostisch (PET-CT) oder therapeutisch (Interventionelle Gefäßmedizin bzw. Interventionelle Onkologische Therapie), voranzutreiben. Denn wie wir wissen, wird Deutschland auch am Hindukusch verteidigt, respektive die deutsche Radiologie in Brüssel.
Der BDR ist dabei !

Prof. Hermann Helmberger
München